Eine gute Innenraumluft ist entscheidend für Gesundheit und Wohlbefinden – gerade in dicht gedämmten Gebäuden. Im Interview erklärt Friedrich Lutz Schulte, wie Lüftungsanlagen für frische Luft sorgen, Heizkosten senken und den Wohnkomfort verbessern. Warum Lüften per Fenster oft nicht ausreicht und worauf Hausbesitzer achten sollten, lesen Sie hier.
Warum ist eine gute Innenraumluftqualität für Hausbesitzer so wichtig – und wie kann eine Lüftungsanlage dazu beitragen?
Friedrich Lutz Schulte: Eine gute, sprich gesunde, Innenraumluftqualität ist erst einmal für alle Bewohner wichtig – egal ob Mieter, Haus- oder Wohnungseigentümer. Einen Großteil (zu über 80%) des Tages halten wir uns in geschlossenen Räumen auf, in denen, wenn nicht angemessen gelüftet wird, CO2, Feuchte und unterschiedlichste Schadstoffe die Innenraumluftqualität verschlechtern. Wir Menschen nehmen dabei vordergründig Gerüche wahr, CO2 jedoch meist erst in Form von Müdigkeit, wenn die CO2-Konzentration im Raum bereits hoch ist.
Grundsätzlich rückt die Frage, wie man einen für die Wohngesundheit notwendigen Luftaustausch sicherstellt, mit der Energiewende in den Mittelpunkt: Aus Energieeffizienzgründen werden neue Gebäude luftdicht errichtet, auch Bestandsgebäude werden im Zuge von umfangreichen Sanierungsaktivitäten – insbesondere nach einem Fenstertausch – abgedichtet. Richtigerweise wird so die Wärme im Haus gehalten und verhindert, dass Luft unkontrolliert z. B. durch Undichtigkeiten in Mauerwerk oder Laibungen zieht und Schäden anrichten kann. Somit muss der Austausch der „verbrauchten“ Luft gegen Frischluft sichergestellt werden. Lüftungsanlagen sorgen unabhängig von Anwesenheiten für diesen Luftaustausch, und das ist gut und wichtig für Mensch und Gebäude. Ob Neubau oder Sanierung – Haus- oder Wohnungseigentümer können mithilfe von Expertinnen und Experten aus Energieberatung oder Fachplanung passgenaue Lüftungslösungen finden und umsetzen.
Was sind die größten Fehler, die bei der Fensterlüftung gemacht werden?
Friedrich Lutz Schulte: Das Wichtigste zuerst: Über das Fenster „gewährt man der Luft manuell Einlass“, und das muss bei einem dichten Gebäude regelmäßig geschehen, ansonsten nimmt die Innenraumluftqualität kontinuierlich und bei Anwesenheit sogar teils drastisch ab. Mein zweiter Punkt betrifft den Geldbeutel: In der kalten Jahreszeit lüftet man die Heizwärme ungenutzt zum Fenster heraus – im Gegensatz zu Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung. Im Winter sollten Fenster auf keinen Fall dauerhaft in Kippstellung verbleiben, Stoß- bzw. nach Möglichkeit Querlüftung sind die Stichwörter. So kühlen Gegenstände im Raum aufgrund des rascheren Luftwechsels nicht aus, die gewünschte Raumtemperatur wird schneller wieder erreicht. Dauerhaft gekippte Fenster können zudem zum Auskühlen von umliegenden Bauteilen führen, im schlimmsten Fall drohen dann Feuchteschäden. Mit einer Wohnungslüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung kann der Großteil der Wärme zurückgewonnen werden und muss gar nicht neu erzeugt werden, und das schont Klima und Geldbeutel. Davon unabhängig wird der notwendige Luftwechsel auch in Abwesenheit der Bewohner sichergestellt!
Muss ein Gebäude bestimmte baulichen Voraussetzungen erfüllen, damit eine solche Anlage eingebaut werden und effizient arbeiten kann?
Friedrich Lutz Schulte: Ein klares Ja – die Gebäude sollten dicht sein, um den beschriebenen „kontrollierten“ Luftaustausch über die Anlage überhaupt zu ermöglichen. Es bringt wenig, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zu betreiben, wenn parallel Kaltluft durch das Mauerwerk zieht. Da Neubauten gemäß Gebäudeenergiegesetz luftdicht errichtet werden müssen, betrifft diese Frage eher Bestandsbauten. Eigentümerinnen und Eigentümer können sich grob anhand von Fragen orientieren: Wurden Außenwände und Dach gedämmt, die Fenster getauscht? Dann spricht der Zustand für die Erfüllung der baulichen Voraussetzungen. Fundierte Antworten liefern Energieberatung oder Fachplanung vor Ort.
Wie viel Energie lässt sich im Vergleich zur klassischen Fensterlüftung mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung wirklich sparen?
Friedrich Lutz Schulte: Ist das Haus freistehend oder ein Reihenhaus, bzw. wo befindet sich die betrachtete Wohnung? Wann wurde das Haus gebaut, wie saniert? Wie groß ist die Wohnfläche, und über wie viele Etagen? Diese Fragen sind nur Beispiele für Faktoren, die für die Antwort ausschlaggebend sind. Als Daumenwert kann man rund ein Viertel Heizenergieeinsparung im Hinterkopf behalten – und das bei geschlossenen Fenstern und gleichzeitig frischer Luft. Zur Einordnung: Die Wärme in einem Gebäude geht durch die Gebäudehülle und den notwendigen Luftaustausch verloren. Je höher die anteiligen Lüftungswärmeverluste, desto mehr lohnt sich der Einsatz einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Hintergründe und Einordnungen liefert der WärmerückgewinnerCheck, den VdZ und HEA gemeinsam mit der Branche entwickelt haben.
Wie genau funktioniert der WärmerückgewinnerCheck?
Friedrich Lutz Schulte: Anhand einer Abfrage wird zunächst das individuelle Gebäude erfasst. Und keine Angst – Begriffe werden erläutert, die Fragen sind allgemein verständlich formuliert. Im Ergebnis wird die mögliche Heizwärmeeinsparung gegenüber einer Fensterlüftung grafisch und prozentual eingeordnet und erläutert. Die dahinterliegende Berechnung ist äußert komplex und wurde wissenschaftlich begleitet. Die individuellen Ergebnisse können sich Interessierte als PDF ausgeben lassen. Neben dieser energetischen Betrachtung informiert der WRGCheck kompakt über die wichtigsten Eigenschaften der unterschiedlichen Lüftungssysteme im Alltag – einfach mal reinschauen bzw. durchklicken!
Was sind die größten Vorteile einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, abgesehen von Wohngesundheit und der Energieeinsparung?
Friedrich Lutz Schulte: Die Bewertung von Vorteilen ist immer sehr persönlich, aber gerade das macht es spannend: Wer an einer Hauptstraße in einer Großstadt lebt, weiß, wie laut es auch zur Nachtzeit bei offenem Fenster werden kann. Wenn das geschlossen bleibt, bleiben störende Geräusche draußen. Ein anderes Beispiel: Bei der Planung und energetischen Bilanzierung eines Gebäudes wird die Wärmerückgewinnung berücksichtigt. Das heißt übersetzt, dass der Wärmeerzeuger, z. B. die Wärmepumpe, entlastet wird und so oft kleiner dimensioniert werden kann. Zum anderen ergänzen sich insbesondere Luft/Wasser-Wärmepumpen und die Wärmerückgewinnung: An besonders kalten Tagen, an denen die Effizienz der Wärmepumpe abnimmt, greift die höchste Effizienz der Wärmerückgewinnung und federt so die Last ab. Etwas kompliziert, aber wer das Ganze mal interaktiv betrachten will – das Online-Tool erklärt es besser als ich. Weitere Vorteile im Alltag hängen von der Wohnsituation ab: Im eingeschossigen Bungalow bzw. Erdgeschossen verringern geschlossene Fenster das Einbruchrisiko und generell gilt: Insekten, Staub und Pollen bleiben sicher draußen.
Welche Irrtümer oder Sorgen begegnen Ihnen bei Hausbesitzern am häufigsten, wenn es um den Einbau einer solchen Anlage geht?
Friedrich Lutz Schulte: „Wozu?“ ist verkürzt vielleicht eine Art Irrtum, denn vielen Eigentümerinnen und Eigentümern ist die „neue Bausituation“ nicht klar. Oft wird eine Lüftungsanlage als optionaler Wohnkomfort wahrgenommen, dabei ist sie aus meiner Sicht und Erfahrung in einem dichten Gebäude die Grundlage für gesundes und komfortables Wohnen. Eine klassisch falsche Einordnung ist auch, dass bei einer vorhandenen Lüftungsanlage die Fenster nicht mehr geöffnet werden dürften. Dürfen darf man alles, im Winter nimmt man allerdings so der Wärmerückgewinnung das Essen vom Teller – darüber muss man sich klar sein. Diese Wärmerückgewinnung erfolgt mit einem sehr geringen Einsatz an Strom, mit dem ein Vielfaches der Wärme zurückgewonnen werden kann. Als Orientierung: Eine effiziente Anlage kann bei niedrigen Außentemperaturen mit dem Einsatz eines Teil Stroms rund 25 Teile Wärme zurückgewinnen – das finde ich immer wieder beeindruckend.
Ist es nicht sehr aufwändig, eine Lüftungsanlage nachzurüsten – und was empfehlen Sie Hausbesitzern, die darüber nachdenken?
Friedrich Lutz Schulte: Der Aufwand hängt unmittelbar von der Ausgangssituation ab: Im Neubau kann ein Wohnungslüftungssystem – ob dezentral in den Außenwänden der Räume oder zentral mit Lüftungskanälen – von Anfang an mitgedacht und mitgeplant werden. Die für die späteren Bewohner passende Lösung, die Eigenschaften des Hauses und der Geldbeutel entscheiden dann über Gerätetyp und Installation. Komplexer ist die Antwort bei Bestandsgebäuden: Der nachträgliche Einbau von Lüftungskanälen spielt abhängig vom Sanierungsgrad eine größere Rolle. Werden Böden oder Decken sowieso bei der Sanierung „aufgemacht“, können Kanäle bei dieser Gelegenheit verlegt werden. Sollte das nicht der Fall sein, bietet sich die Installation dezentraler Geräte an. Diese benötigen eine nach außen leicht abfallende Kernbohrung in einer Außenwand und die dazugehörige Stromversorgung. Abhängig von Lastenheft und Geldbeutel können dezentrale Geräte auch nur raumweise, z. B. im Schlafzimmer, eingesetzt werden. Zusammengefasst: Der Aufwand fällt sehr individuell aus, und je früher Lüftungslösungen mitgedacht werden, umso besser.
Fotos: Porträtfoto ©BDEW; Headerbild: Thilo Ross/Intelligent heizen