Heizen mit Strom wird im Rahmen der zunehmenden Elektrifizierung immer wichtiger: Welche strombetriebenen Heizsysteme gibt es und welche Rolle werden diese zukünftig spielen? Wir haben nachgefragt.
Die Ziele der Bundesregierung sind klar: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Im Zuge der angestrebten Energiewende liegen nicht nur erneuerbare Energieträger im Trend, auch das Heizen mit Strom gewinnt an Bedeutung. Welche Vorteile strombasierte Heizsysteme bzw. elektrische Heizungen bieten, wie diese am besten zum Einsatz kommen und warum Heizen mit Strom in Zukunft immer wichtiger wird, erläutert Karlheinz Reitze, Präsidiumsmitglied der VdZ, Mitglied des Vorstands des ZVEI, dem Verband der Elektro- und Digitalindustrie e.V. und Geschäftsführer bei Viessmann.
Welche Rolle wird Strom beim Heizen künftig spielen?
Karlheinz Reitze: Der Strom wird eine sehr bedeutende Rolle spielen. Wir haben jede Menge elektrische Verbraucher, die wir in Zukunft anschließen müssen: Bis 2030 werden voraussichtlich sechs Millionen Wärmepumpen in Betrieb sein und 15 Millionen Elektroautos. Auch die Industrie soll auf Strom umgestellt werden. Dadurch wird es zu einem enormen Stromanstieg kommen. Zum Vergleich: 2020 wurden etwa 545 Terawattstunden verbraucht, bis zum Jahr 2045 werden es laut mehrerer Prognosen ca. 1000 sein. Der Bedarf an Strom wird voraussichtlich also um mehr als 80 Prozent steigen. Das heißt, wir brauchen mehr Stromproduzenten. Und dazu dient das Haus. Es steht im Mittelpunkt der Energiewende: Es erzeugt Energie – nämlich Strom oder auch Wärme und Warmwasser –, und es kann gleichzeitig als Speicher dienen und die erzeugte Energie durch intelligente Gebäudetechnik effizient einsetzen. Die Energiewende erfordert ein Umdenken, bei dem der Fokus nicht mehr nur auf der Heizungsanlage liegt, sondern auf dem Haus, das mit verschiedenen Systemen zur Energieerzeugung, -speicherung und -nutzung ausgestattet sein wird.
Wie greifen die Systeme ineinander und welche Funktion übernehmen zukünftig mit Strom betriebene Heizungen?
Karlheinz Reitze: Sie haben auf der einen Seite die Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage), mit der Sie Ihren eigenen Solarstrom produzieren können. Auf der anderen Seite brauchen Sie einen Stromspeicher oder einen Thermischen Speicher (Warmwasserspeicher), um den selbst erzeugten Solarstrom zu speichern oder Warmwasser auf Vorrat zu produzieren, denn die Sonne können wir nicht beeinflussen. Auf diese Weise kann Ihr Haus Energie produzieren und speichern. Heizungen wie die Wärmepumpe oder die Infrarotheizung ebenso wie andere strombasierte Anlagen wie Klimaanlagen oder eine Ladesäule fürs Elektroauto verbrauchen den Solarstrom bei Bedarf. Besonders energieeffizient und kostengünstig wird es, wenn ein Energie-Management-System die Stromversorgung steuert und sich dabei nach Ihren persönlichen Prioritäten richtet. Ein Beispiel: Sie wollen morgens mit Ihrem Elektroauto fahren und geben in Ihre App eine Fahrstrecke von 150 Kilometer ein. Das System kennt den Batteriezustand Ihres E-Autos genauso wie den Strombedarf von einzelnen Geräten wie z.B. Warmwasserwärmepumpe, Waschmaschine usw. Es entscheidet dann selbst, welche Verbrauchsstelle im Haus zuerst mit Strom versorgt wird, um so viel wie möglich Ihren selbsterzeugten Strom zu nutzen. Das ist nicht nur umweltschonend, sondern entlastet auch Ihren Geldbeutel.
Heizen mit Strom macht also vor allem in Kombination mit einer PV-Anlage Sinn. Welche Einsparpotenziale ergeben sich daraus?
Karlheinz Reitze: Mit einer Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) erzeugen Sie heute Strom für zehn bis fünfzehn Cent. Wenn Sie den Strom von außen beziehen, kostet Sie das bei den steigenden Strompreisen zwischen vierzig bis fünfundfünfzig Cent. Den größten Nutzen haben Sie also, wenn Sie den selbst erzeugten Strom auch selbst nutzen. Sie reduzieren damit sowohl Ihre Strom- wie auch Ihre Heizkosten. Ein weiterer Vorteil von Solarstrom: Sie machen sich von Energieversorgern unabhängiger. Die Investition in PV-Anlagen bzw. erneuerbare Energien unterstützt die Bundesregierung bereits jetzt durch Förderprogramme. In einigen Bundesländern ist es bereits gesetzlich verankert: In Berlin und Baden-Württemberg gibt es für den Neubau die PV-Pflicht und der Bund arbeitet an weiteren vergleichbaren Lösungen.
Die PV-Anlage in Kombination mit strombetriebenen Heizsystemen lässt sich im Neubau gut umsetzen. Wie sieht das bei der Sanierung aus? Was sind da die ersten Schritte?
Karlheinz Reitze: Bei einem alten Gebäude, das Sie sanieren möchten, sollten Sie als erstes schauen, an welchen Stellen Wärme verloren geht. Es gibt einige Maßnahmen, mit denen Sie Ihre Heizkosten einfach reduzieren können, beispielsweise durch eine Isolierung der Kellerdecke oder dem Dachboden. Darüber hinaus sollten Sie Ihre Fenster abdichten und andere Wärmebrücken in der Gebäudehülle schließen, zum Beispiel durch das Dämmen von Heizkörpernischen. Dadurch tragen Sie ebenfalls dazu bei, dass der Wärmebedarf Ihres Hauses sinkt. Wenn Sie mit Gas heizen und nicht gleich den großen Umstieg wagen möchten oder der Wärmebedarf zu hoch ist, kann auch eine hybride Lösung passend sein. Sie können zum Beispiel Ihre Gasheizung durch eine Wärmepumpe ergänzen und im Verbund heizen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, empfiehlt es sich, auf ein Heizsystem umzusteigen. Das ist wirtschaftlicher. Beim Heizen mit Strom sollten Sie in jedem Fall eine PV-Anlage einplanen, denn nur wenn der Strom erneuerbar erzeugt wird, ist die Umstellung nachhaltig sinnvoll. Sie lässt sich mit den verschiedenen Heizungen wie der Wärmepumpe oder der Infrarotheizung gut kombinieren. Oder Sie betreiben mit dem Solarstrom von Ihrem Dach eine Wärmepumpe zur Warmwasserbereitung. Im Bad eignet sich beispielsweise eine Infrarotheizung gut. Dann brauchen Sie Ihre Heizung im Sommer gar nicht anstellen.
Worauf muss man beim Umstieg auf Strom bei der Elektroinstallation oder generell achten?
Karlheinz Reitze: Nicht jede bestehende Elektroinstallation ist für eine Erweiterung durch eine PV-Anlage oder strombetriebene Heizungen wie die Wärmepumpe ausreichend vorbereitet. Das sollte vorher ein Fachhandwerker überprüfen. Für den Neubau würde ich empfehlen, die Elektroinstallation so vorzusehen, dass sie auch für die Zukunft erweiterbar ist: also beispielsweise einen größeren Verteilerschrank wählen oder auch Leerrohre verlegen – sei es auf dem Dach für die PV-Anlage oder auch in der Garage für die Wallbox, die man eventuell später für das Elektroauto braucht.
Wie bereits gesagt, steht das Haus im Mittelpunkt der Energiewende. Der Umstieg auf Strom ermöglicht neue Chancen: Es entlastet Ihren Geldbeutel, wenn Sie so viel wie möglich, Ihren eigenerzeugten Strom selbst nutzen. Es ist umweltfreundlich und zukunftssicher.
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