Im letzten Teil unserer 6-teiligen Reihe spricht Dieter Kehren (BDH) über Technik, Trends und die Energiewende.
Experte Dieter Kehren vom Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) über Technik, Trends – und den eigenen Beitrag zur Energiewende
Für welche Heizsysteme ist die Einbindung eines Home Energy Management Systems (HEMS) interessant?
Dieter Kehren: Energiemanagementsysteme im privaten Gebäude sind für stromverbrauchende oder stromerzeugende Geräte interessant. Auf die Heizung bezogen sind das heute in der Praxis üblicherweise Wärmepumpen, die über ein Energiemanagementsystem mit einer Photovoltaikanlage vernetzt sind. Das macht Sinn zur Eigenstromoptimierung. Gleiches gilt für Hybridsysteme, die eine Stromkomponente haben, beispielsweise ein Gasbrennwertkessel kombiniert mit einer Wärmepumpe.
Kann ein älterer Kessel „digital“ nachgerüstet werden oder sind nur moderne Kessel vernetzungsfähig?
Dieter Kehren: Das ist unterschiedlich. Es gibt viele Wärmeerzeuger, die mit einer digitalen Schnittstelle nachgerüstet werden können, oft mit einem externen Schnittstellenmodul. Ob das möglich ist, muss man im Einzelfall prüfen. Hierzu kann man den Hersteller oder auch den Handwerker fragen. Im Forum Digitale Heizung des BDH haben wir aber auch aus den Rückmeldungen der Hersteller eine Liste von nachrüstbaren Wärmeerzeugern erstellt. Den letzten Stand der Liste findet man immer auf der Internetseite des BDH. Hier ist der Link zum Stand von September 2019.
Was sind die drei größten Vorteile einer digitalen Heizung?
Dieter Kehren: Die handfesten unmittelbaren Vorteile sind Kosteneinsparung und Komfort. Für viele – mich eingeschlossen – wird aber auch ein anderer Aspekt immer wichtiger, nämlich der eigene Beitrag zur Energiewende. Die digitale Anbindung ist die Voraussetzung für die netz- und systemdienlichen Mechanismen, die wir in unserer Reihe beschrieben haben. Nur durch die Nutzung solcher Mechanismen wird die Anpassung des Energiesystems für die Energiewende möglich.
Worauf muss ich bei der Einbindung in ein Energiemanagementsystem achten?
Dieter Kehren: Wir sind heute bei der energetischen Vernetzung noch in der Anfangsphase. Eine starke Beschleunigung erwarten wir mit zunehmender Marktdurchdringung der Elektromobilität.
Trotzdem lassen sich viele Vorteile heute schon realisieren, aber manchmal nur mit proprietären, also herstellergebundenen, Lösungen oder mit eingeschränkter Interoperabilität. Als Kunde sollte man deshalb prüfen lassen, welche Geräte man miteinander kombinieren kann und welche Anwendungsfälle dann möglich sind. Auch hier sind Handwerker und Hersteller wieder die besten Ansprechpartner.
Wer installiert das HEMS bei mir zuhause?
Dieter Kehren: Ein Energiemanagementsystem vernetzt ja in der Regel Produkte aus verschiedenen Gewerken: beispielsweise Wärmepumpe, Photovoltaikanlage und Auto. Damit werden auch im Handwerk frühere Domänengrenzen, wie in diesem Beispiel zwischen SHK-Handwerkern und Elektrikern überschritten. Immer mehr Handwerker bauen daher die entsprechenden zusätzlichen Kompetenzen auf. Hauseigentümer sollten also am besten den SHK Handwerker ansprechen.
Wie ist es beim Energiemanagementsystem mit der Datensicherheit bestellt?
Dieter Kehren: Die Datensicherheit ist im vernetzten Energiesystem der Zukunft tatsächlich ein sehr wichtiges Thema. Um die Datensicherheit zu gewährleisten, wurde das Smart Meter Gateway konzipiert, dass ist eine hochsichere Schnittstelle zwischen der energetischen Vernetzung im Gebäude und der Außenwelt. Dadurch werden das Energiemanagementsystem und die angeschlossenen Produkte gegen unbefugten Zugriff geschützt. Der gerade stattfindende Rollout der Smart Meter wird in den Medien ja immer wieder thematisiert und ist ein wesentlicher Baustein zur Digitalisierung der Energiewende.
Wie werden unsere Häuser und Heizungskeller in den nächsten 10, 20 Jahren aussehen?
Dieter Kehren: Wir sehen in vielen Bereichen, dass Digitalisierung und Vernetzung neue Leistungsmerkmale ermöglichen, die für den Kunden eine hohe Bedeutung erlangen. Und die Erfahrung zeigt uns, dass solche Veränderungen oft viel schneller selbstverständlich werden, als man vorher denkt. Die Wärmeerzeugung wird eine große Rolle bei der Energiewende spielen und in diesem Zuge wird die Heizung im Bewusstsein vieler Kunden bildhaft aus dem Heizungskeller herauskommen.
Wir erleben – im ersten Schritt heute schon – neue, komfortable Benutzeroberflächen, die den Interessierten die energetischen Abläufe der Heizung – auch im Zusammenspiel mit anderen Produkten – leicht verständlich und spannend näher bringen – wenn sie das wollen. Genauso wird es auch möglich sein, die Abläufe durch intelligente, lernfähige Energiemanagementsysteme automatisch optimieren zu lassen, sodass wir das beste Zusammenspiel von Komfort, Kosten und Umweltschutz nutzen können, ohne tief in die Thematik einsteigen zu müssen.
Eine noch größere Tragweite wird aber der Wandel haben, vor dem das Energiesystem heute steht. In der Vergangenheit waren die meisten von uns nur passive Konsumenten von Energie, die beispielsweise aus der Steckdose oder dem Gasnetz kam. Um die Energiewende möglich zu machen, werden zukünftig die Vernetzung, dezentrale Erzeugung und die darauf aufbauenden Mechanismen, von denen wir einige ja auch in unserer Reihe beschrieben haben, sehr wichtig. Immer mehr Menschen werden dann eine aktive Rolle im Energiesystem einnehmen, zum Beispiel dadurch, dass sie Strom selbst produzieren und überschüssige Erträge verkaufen. Oder dadurch, dass sie – gegen eine Vergütung – zulassen, dass ein Teil ihres Energieverbrauchs systemdienlich gesteuert wird. Neue Geschäftsmodelle werden auch für den Einzelnen Kostenvorteile bieten. Und dabei wird dann die Heizung eine ganz zentrale Rolle einnehmen.
Bildnachweis: © Intelligent heizen, Thilo Ross